Kritik zur «Alcina» in der PRESSE

Die Wiederaufnahme der «Alcina»-Produktion hat in Wien grossen Anklang gefunden. Hier können Sie die Kritik der PRESSE nachlesen:

Alcina liebt Ruggiero, der mit Bradamante verlobt ist, die sich als Ricciardo verkleidet hat, in den sich Morgana verguckt, die ihrerseits von Oronte verehrt wird. Soweit klar? Wem die Handlung von Händels Zauberoper «Alcina» stets verwirrend vorkam, der war bei Nikolaus Habjans Inszenierung gut aufgehoben: Die Textfassung von Stefan Suske konzentrierte sich auf die wesentlichen fünf Figuren, gedoppelt mit Habjans Klappmaul- und Stabpuppen; auch musikalisch beschränkte man sich auf die Essenz, dargeboten von der elfköpfigen Freitagsakademie Bern. Statt Rezitativen führte Peter Jecklin als Erzähler mit simplen Erklärungen und augenzwinkernden Kommentaren durch die Liebeswirren rund um die Zauberin Alcina. Bald lieferte er bissige und humorvolle Anmerkungen zum Geschehen auf der fast leeren Bühne, bald zeichnete er auf Overheadfolie, um das Liebeskarussell zu entwirren, das Gesungene zu illustrieren oder die Zuschauer über Beweggründe – etwa: „Oronte intrigiert“ – zu informieren.

So konnte man in der barocken Musik schwelgen, ohne Gefahr zu laufen, den Faden zu verlieren. Gesungen wurde auf hohem Niveau. Julia Kirchner als Alcina führte ihren Sopran teils sehr schlank, um in den wichtigen Arien umso mehr aufzutrumpfen. Olivera Tičević als Morgana und Anna Manske als Bradamante gefielen mit Fülle, toller Höhe, exzellenter Präsenz. Amüsant in seinem anfänglichen Schmachten, später authentisch in seiner Verletzlichkeit und neu erwachten Kraft: Jan Börner mit klangschönem Countertenor als Ruggiero. Auch Michael Feyfar als Oronte zeigte sich stimmlich wie darstellerisch sehr präsent.

Unterstützt wurden sie von der wendigen Puppenspielerin Manuela Linshalm, die, wenn sie die opulente Klappmaul-Alcina führte, auch Sprechtext übernahm und hier mit besonderer Intensität auffiel. Allen Sängern gelang es, sowohl im innigen, ja liebevollen Zusammenspiel mit den Puppen als auch ohne sie zu bestehen. Habjan ließ die Pappmaché-Figuren nämlich nicht nur einfach Doppelgänger der Sänger sein, sondern diese auch mit ihren Alter Egos in Dialog treten: Da nahm Anna Manske als Bradamante ihre Puppe tröstend in den Arm, da warnte Oronte sich quasi selbst, da fanden Puppen zueinander, bevor es die zugehörigen Darsteller ihnen nachtaten. Das brachte eine interessante weitere Ebene in die lebendige, abwechslungsreiche, doch leicht zu konsumierende Produktion.

26.05.2021 um 17:30 von Theresa Steininger
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Jan Börner